INFO / Die EU-Kommission arbeitet an einer Revision der europäischen Fluggastrechteverordnung 261/2004, die seit dem Jahr 2005 die Rechte und Ausgleichsansprüche der Passagiere gegenüber den Fluggesellschaften regelt. Ein Großteil der geplanten Änderungen führt zu einer deutlichen Verschlechterung der Fluggastrechte.
Hier finden Sie die wichtigsten Änderungen auf einen Blick:Ausgleichsanspruch bei großer Verspätung

Für die Zukunft strebt die Europäische Kommission eine Unterteilung
in inner- und außereuropäische Flüge an. So soll bei Flügen innerhalb
der Europäischen Union ein Anspruch einheitlich erst nach fünf Stunden
Verspätung entstehen. Außereuropäisch ist eine gestaffelte Anhebung der
entschädigungsbegründenden Verspätung geplant: Bei Entfernungen von
weniger als 3.500 km muss sie mindestens fünf Stunden betragen,
bei Entfernungen zwischen 3.500 und 6.000 km liegt die
Verspätungsgrenze bei neun Stunden und bei Flügen von mehr als 6.000km schließlich bei mehr als 12 Stunden.
Sobald ein Flugzeug losrollt, werten Airlines einen Flug heute meist als gestartet. Immer wieder entstehen somit lange Wartezeiten auf der
Rollbahn, bevor das Flugzeug tatsächlich abhebt. Ein konkreter
gesetzlicher Rahmen, wie lange Fluggesellschaften ihre Passagiere auf
der Rollbahn warten lassen dürfen, fehlte bislang. Hier kam das
jeweilige nationale Recht zur Anwendung.
Nach dem Vorschlag der EU-Kommission sollen Airlines Passagiere
künftig bis zu fünf Stunden im Flugzeug warten lassen können. Auch im
internationalen Vergleich bedeutet der Vorschlag eine unangemessene
Benachteiligung der Fluggäste (zum Vergleich: in den USA gelten
inneramerikanisch drei und international vier Stunden).
Außergewöhnliche Umstände entbinden Fluggesellschaften von ihrer
Ausgleichspflicht. Nach der aktuell gültigen Verordnung zählen dazu nur
wenige besondere Vorkommnisse – beispielsweise extreme
Wetterbedingungen, Streiks der Piloten oder Fluglotsen sowie eine
Flughafenschließung aus Sicherheitsgründen. Technische Defekte wiederum
sind grundsätzlich keine außergewöhnlichen Umstände. Sie gehören zum
normalen Betriebsrisiko einer Airline und sind daher von dieser beim
Betriebsablauf mit einzuplanen.
Der Kommissionsvorschlag enthält jetzt eine Aufweichung des
bisherigen Rechts: Technische Defekte, die während des Fluges auftreten,
sollen nach dem Willen der Kommission künftig ebenfalls
außergewöhnliche Umstände sein. Der Kommissionsvorschlag weicht damit
weit von der bestehenden Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ab.
So fördert die Kommission die Kollision von wirtschaftlichen
Überlegungen und sicherheitsrelevanten Fragen bei den
Fluggesellschaften. Der Fluggast trägt das normale Betriebsrisiko des
befördernden Luftfahrunternehmens.
Bisher enthält die Verordnung keine zeitliche Begrenzung zur
Durchsetzung der Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung – der
Zeitraum richtet sich nach nationalem Recht. So gilt in Deutschland die
allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren. Dabei beginnt die Frist
erst mit Ende des Kalenderjahres, in dem es zum
entschädigungspflichtigen Ereignis kam.
Die Neufassung sieht hingegen vor, dass der Passagier seine ihm
zustehenden Rechte künftig spätestens drei Monate nach der tatsächlichen
oder geplanten Durchführung des Fluges beim entsprechenden
Luftfahrtunternehmen einreichen muss. Betroffene Passagiere sollen somit
deutlich weniger Zeit haben, um ihre Rechte einzufordern, denn nach
Ablauf der Frist ist die Geltendmachung ihrer Ansprüche ausgeschlossen.
Ansprüche auf Entschädigung sind nach heutiger Rechtslage in der
Regel nur durch Zahlung der Entschädigung erfüllbar. In den neuen
Entwurf der Verordnung hat die Kommission eine Regelung mit aufgenommen,
nach der es Fluggesellschaften erlaubt sein soll, mit Flugreisenden
eine Vereinbarung zu schließen, die die Ausgleichspflicht komplett zu
ersetzten vermag. Zwar ist die Fluggesellschaft angehalten, den
Passagier über seine Rechte auf einen Ausgleichsanspruch aufzuklären.
Doch angesichts der Informationshoheit der Fluggesellschaft über die
Gründe einer Annullierung oder einer Verspätung kann der Fluggast nicht
absehen, ob eine solche Vereinbarung wirtschaftlich Sinn macht.
„Der überwiegende Teil der geplanten Änderungen geht zu Lasten der
Passagiere. Setzt sich die EU-Kommission mit ihren Änderungen durch, gehen rund 72 Prozent der
Passagiere, die derzeit Entschädigungen fordern können, künftig leer
aus. Es kommt also zu einer massiven Verschlechterung der
Fluggastrechte.